Die deutsche Küche hat keinen besonders guten Ruf, jedenfalls wenn man
dabei an das Alltagsessen denkt, das in vielen Gaststätten und Kantinen
gereicht wird: fett, schwer, kohlehydratreich und sonst nichts. Man hat
gesagt, unter den Völkern Europas würden die Franzosen beim Essen am
meisten auf Qualität achten, die Deutschen am meisten auf Quantität und
die Engländer am meisten auf die Tischmanieren.
Es stimmt zwar nicht, dass die Deutschen ständig etwas in sich
hineinstopfen, aber wenn sie einmal angefangen haben, etwas zu essen,
dann hören sie so schnell nicht wieder auf. Die Dinge immer ein wenig zu
übertreiben, ist eine häufig anzutreffende deutsche Angewohnheit, nicht
nur, wenn es ums Essen geht.
Inzwischen sind sich aber viele Deutsche über die gesundheitlichen
und ästhetischen Folgen ihrer Ernährung im Klaren. Wenn man den
einschlägigen Berichten, Diätvorschlägen, Ernährungstips und
Kochrezepten vor allem in den illustrierten Glauben schenken darf, so
geht es heutzutage beim Essen nur noch um die Gesundheit („Essen Sie
sich gesund!") und keineswegs um Genuss oder gar die Befriedigung eines
Hungergefühls. Aßen die Deutschen früher dreimal soviel Kartoffeln wie
beispielsweise die Briten, so essen sie heute nur noch zweimal soviel
gesundes Obst und ballaststoffreiches Gemüse. Lebensmittel mit dem
Namenzusatz „Bio-„ oder „light" sind die Renner in den Supermärkten und
verkaufen sich wie von selbst an diejenigen Deutschen, die sich
vielleicht dann doch noch Häppchen mehr gönnen wollen („Du darfst!"),
aber das, bitte schön, mit gutem Gewissen. Dazu gibt es dann sogar
Mineralwassermarken mit dem Zusatz „light" – na, wohl bekomm es.
Im Gegensatz zu früher haben sich die Ess- und Restaurantverhältnisse
in Deutschland allerdings trotz mancher zäher Gewohnheiten wesentlich
verbessert. Nach der bitteren Armut in der Nachkriegszeit kam es in den
fünfziger Jahren zur ersten deutschen Fresswelle, als es wieder genug
Geld und wieder genug dafür zu kaufen gab. Die Doppelt- und
Dreifachkinne, die sich viele Deutsche dieser Generation in jener Zeit
angefressen haben, haben wohl unvermeidlich das Klischee des feisten
Deutschen im Ausland geprägt.
Mit dem enorm gewachsenen Wohlstand der siebziger und achtziger Jahre
kam dann – für eine andere Generation – das Bedürfnis nach verfeinerten
Genüssen. Außerdem war diese erste reine Wohlstandsgeneration
mittlerweile viel kosmopolitischer aufgewachsen, hatte die Küche
Frankreichs und Italiens kennen und schätzen gelernt. Das hat sich dann
in einer zweiten deutsche Fresswelle niedergeschlagen mit einer Vielzahl
von bessern, mediterran ausgerichteten Restaurants (die außerdem
weniger „rustikal" eingerichtet sind und sich teilweise auch um bessern
Service bemühen). Aber auch das Angebot für die häusliche Küche ist
qualitätvoller und abwechslungsreicher geworden, Konserven und
Tiefkühlkost wurden von ehrgeizigen Hobbyköchen und – Köchinnen
geächtet. Dieser Umweg führte geradezu zu einer Wiederentdeckung der
feinen deutsche Küche, die es ja auch einmal gab – ein Trend, der für
die neunziger Jahre prägend geworden ist.
Die Deutschen bevorzugen ein reichhaltiges Frühstück mit
verschiedenen Sorten von Brot oder Brötchen, dazu Marmelade und Honig,
aber auch Schinken, Käse und Wurst für diejenigen, die es etwas
herzhafter mögen. Müslis oder Corn-flakes stehen heute auch schon oft
auf den Frühstückstischen. Getrunken wird mit Vorliebe frisch gebrühter
Kaffee.
Deutsches Brot ist berühmt für seinen Artenreichtum, und die Bäcker
werden nicht müde, ständig neue für die Gaumen ihrer verwöhnten
Kundschaft dazuzuerfinden. Diese Art von Veredelung lassen sie sich
allerdings auch teuer bezahlen. Die Deutschen haben eine starke Vorliebe
für Sauerteigbrot, für Vollkornbrotsorten – das war immer schon so und
verdankt sich nicht erst der Ernährungsbewussten zweiten Fresswelle -,
und sie verstehen sich auf ganz exotische Brotsorten wie etwa
Pumpernickel, die außerhalb der deutschen Grenzen wirklich völlig
unbekannt sind. |