Die Deutschen sind in etwa demselben Maße Familienmenschen wie ihre
Nachbarvölker auch. Eine intakte Familie ist auch ein Ideal, wo sich
deutsche Treue zu Weib (oder Mann) und Kindern bewährt. Dennoch sind die
Scheidungsraten ziemlich hoch, da auch die deutschen Menschen in ihrer
Funktion als Ehepartner dem allgegenwärtigen Stress des modernen Lebens
unterliegen. Obwohl es im individuellen Bereich oft ganz ganz anders
aussieht, gilt die deutsche Gesellschaft als nicht besonders
kinderfreundlich. In der Öffentlichkeit wird man Ihrem Hund im
allgemeinen mit größerer Freundlichkeit begegnen als Ihren Kindern.
Kinder gelten von vornherein als laut und störend. Man erwartet von
ihnen nichts anderes als dass sie jedermanns Recht auf Ruhe und Ordnung
nicht respektieren werden. Einiges von dieser Grundeinstellung mag
dadurch zu erklären sein, dass die Deutschen meistens in Etagenwohnungen
leben, wo es viel eher zu Geräuschbelästigungen kommt. Da viele
Vermieter nicht nur stillschweigend, sondern oft sogar ausdrücklich
keine Kinder im Haus dulden, kann sich die Wohnungssuche für junge
Familien in der Tat oftmals zu einem Alptraum an Diskriminierung
auswachsen. Aber wo es intaktes Zuhause gibt, wachsen die Kinder
wohlbehütet, in freundlicher und von starker Zuneigung geprägter
Atmosphäre auf. Junge Eltern kümmern sich heutzutage in rührender Weise
um ihren Nachwuchs und versuchen geradezu verzweifelt alle Fehler,
Nachlässigkeiten und Mängel zu vermeiden, unter denen sie vielleicht
selbst in ihrer Kindheit und Jugend zu leiden hatten. Dies wird nun
oftmals so intensiv betrieben, dass man sich bisweilen die Frage stellen
kann, ob diese supergute Kindererziehung nicht dazu führt, dass in
fünfzehn oder zwanzig Jahren eine ganze Generation mit all den typischen
psychologischen Problemen verwöhnter Kinder zu kämpfen haben wird.
Ihr Zuhause und ihr Familienleben ist für die Deutschen auch der
Inbegriff von Gemütlichkeit. Hier ist Gemütlichkeit ganz alltäglich und
direkt erfahrbar. Der Begriff „Gemütlichkeit" hat in der Vorstellung der
Deutschen auch sehr viel mit dem Begriff von „Heimat" gemeinsam. Beides
bezeichnet einen Ort, wo man sich geborgen fühlt, wo man seine Wurzeln
hat, wo sich Familie, Heim und Herd befinden. In der Heimat und in einem
gemütlichen Heim gibt es keine Verunsicherung, keine Angst mehr von der
kalten und chaotischen Welt draußen, vor dem Unbekannten und
Ungewissen. Hier herrscht Ordnung, es ist alles warm und vertraut. |